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Artenreichtum & Arzneimittel

Warum Artenreichtum die beste Apotheke der Welt ist.

Die Pflanze ist eine Eibe. Sie ist ein Beispiel für einen echten Leistungsträger für Wirtschaft und Gesundheit aus der Natur. Denn aus ihren Nadeln wird ein sehr erfolgreiches Chemotherapeutikum gewonnen, eine der wichtigen Waffen gegen Krebs (1). 75 % der von der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel neu zugelassenen Antibiotika zwischen 1981 und 2010 waren auf natürliche Rohstoffe zurückzuführen (2). Auch der Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) gegen Kopfschmerzen kommt ursprünglich nicht aus der Apotheke, sondern aus der Weidenrinde (3). Morphin verdanken wir dem Schlafmohn (4) und Artemisinin, ein Medikament gegen Malaria, gäbe es nicht ohne Beifuß (5).

70.000

Pflanzenarten werden weltweit medizinisch genutzt (6). Eine artenreiche Natur ist damit eine lebendige Apotheke. Doch dass diese Apotheke uns weiter so gut versorgt, ist leider nicht so selbstverständlich, wie wir glauben: Wenn Arten verschwinden, verlieren wir nicht nur die Ressourcen für altbekannte Medikamente, sondern auch den Schlüssel für neue Wirkmechanismen und Moleküle.

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Mehr Natur = besseres Immunsystem

Nicht nur Arzneimittel, auch unser Immunsystem selbst profitiert von der Natur. Der Kontakt mit vielfältigen Umweltmikroben stärkt die Abwehrkräfte. Studien zeigen: Artenreiche Umgebungen können das Risiko von Allergien und Entzündungen senken (7). So haben z.B. Kinder, die auf einem Bauernhof aufgewachsen sind, ein geringeres Risiko an Asthma zu erkranken (8).
Die Artenvielfalt beginnt bereits in uns selbst: Denn wir sind nicht allein, jeder von uns trägt schätzungsweise 38 Billionen Mikroorganismen mit sich herum (9). Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass eine geringe Artenvielfalt im Darmbiom mit einem höheren Risiko für Allergien einhergeht. Die Vielfalt der Mitbewohner im Darm hängt von der Vielfalt an Mikroben im Boden zusammen, aus dem die Lebensmittel kommen. Die Forschung zu diesen Zusammenhängen intensiviert sich gerade weltweit. Aber jetzt schon ist klar: Wir sind viel stärker in die Netzwerke der Natur eingebunden, als wir noch vor 10 Jahren gedacht haben. Und wir sind auf diese vielfältigen und artenreichen Ressourcen angewiesen, weil sie durch keine künstliche Nahrungsergänzung zu ersetzen ist.

Manche heilsame Substanzen nehmen wir bereits ein, wenn wir einatmen. Forschende fanden heraus: Ein zweistündiger Waldspaziergang steigert messbar die Anzahl und Aktivität von weißen Blutkörperchen (10) – also unserer Abwehrzellen, durch „Medikamente“ die der Baum in die Luft abgibt, und die über die Lunge in unsere Körper gelangen.

Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde

Die Zerstörung von Ökosystemen ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein Gesundheitsrisiko. Wenn Artenvielfalt schwindet, geraten natürliche Gleichgewichte aus dem Lot: Manche Tierarten, die Krankheitserreger tragen, breiten sich stärker aus, während regulierende Arten verschwinden. Gleichzeitig rücken Wildtiere durch Rodung, Landwirtschaft und Siedlungsbau näher an den Menschen heran – und damit auch ihre Viren und Bakterien. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Krankheitserreger von Tieren auf Menschen überspringen – ein Prozess, den Fachleute als Spillover bezeichnen. Solche Spillover können zu Zoonosen führen: Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden und 2023 weltweit 2,7 Millionen Todesfälle verursachten. (11)

Aufgrund des Klimawandels fühlt sich in Deutschland die Asiatische Tigermücke ebenso wohl, wie das West-Nil-Virus (12). Gleichzeitig breitet sich derzeit laut Forschenden (13) durch die Erderwärmung ein Pilz aus, der weltweit Frösche aussterben lässt. Weil Frösche Mücken und ihre Larven fressen, ist künftig mit einer Zunahme der Mücken zu rechnen. Als Übertrager von Malaria, Dengue, Zika und vielen weiteren Krankheiten sind Mücken die tödlichsten Tiere der Welt.  

Grafik: Ole Häntzschel

Medikamente verschmutzen die Umwelt

So sehr uns Arzneimittel auch helfen – leider belasten sie auch unsere Ökosysteme. Rückstände von Medikamenten wie Schmerzmitteln oder Antibiotika gelangen über unser Abwasser in Flüsse und Seen. Dort schädigen sie nicht nur Fische und Mikroorganismen, sondern bedrohen die Qualität unseres Trinkwassers.

Ein konkretes Beispiel: Das Schmerzmittel Diclofenac, bekannt unter dem Handelsnamen Voltaren, wird in Deutschland gerne genommen, weil es frei verkäuflich ist. Es ist aber leider nicht frei von Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt. Von den 90 Tonnen Diclofenac, die pro Jahr in Deutschland laut Daten des Umweltbundesamtes (14) verbraucht werden, landet leider ein großer Teil in den Flüssen und Seen, gerade wenn es als Gel auf die Haut aufgetragen bei der nächsten Dusche abgespült wird. Auch als Tablette eingenommen werden rund 70 % seines Wirkstoffs wieder ausgeschieden, gehen ins Abwasser – und entgehen auch moderner Klärtechnik (15). Auf dem indischen Subkontinent fraßen Geier tote Nutztiere, die mit Diclofenac behandelt wurden – und starben massenweise an Nierenversagen. Die indische Geierpopulation ging dramatisch zurück. Geier erfüllen in der Umwelt jedoch eine wichtige „Aufräumfunktion“. Ihr Massensterben führte bei Menschen zu einem drastischen Anstieg mit tödlichen Infektionen – und zu einer halben Million Todesfälle in nur fünf Jahren (16). Ein Beispiel, wie eine Wirkung an der einen Stelle viele Nebenwirkungen an einer ganz anderen hervorruft, unter der dann nicht nur die Wassertiere leiden, sondern auch Vögel und Menschen.

Gerade weil biologische Vielfalt unserer Gesundheit zugutekommt, profitieren wir selbst am meisten davon, die Natur vor den Nebenwirkungen unseres Gesundheitssystems zu schützen.

38

Mikroorganismen tragen wir mit uns herum (9)

90

Diclofenac-Verbrauch pro Jahr in Deutschland (14)

Kettenreaktionen: Was Fledermäuse für unsere Gesundheit leisten

Noch ein Beispiel für eine überraschende Wirkungskette: In mehreren Regionen der USA ist die Säuglingssterblichkeit gestiegen, nachdem dort die Fledermauspopulationen eingebrochen sind (17). Wie hängt das zusammen? Sind Fledermäuse doch wie bei Drakula Blutsauger? Nein, sie sind gut für unsere Gesundheit, denn Fledermäuse fressen große Mengen an Insekten – darunter viele Schädlinge in der Landwirtschaft. Wo sie fehlen, steigt der Pestizideinsatz. Und Pestizide bleiben nicht nur auf dem Feld, wo sie eingesetzt werden, sondern haben auch Rückwirkungen auf Menschen, Kinder und ungeborene Kinder im Mutterleib (18). In den betroffenen Regionen starben deutlich mehr Kinder in den ersten Lebensmonaten, als in Regionen mit weniger Pestizideinsatz.

Artenreichtum und intakte Ökosysteme sind Gesundheitsvorsorge. Wir verdanken der Natur nicht nur unser Leben, sondern auch viele Mittel, die es erhalten. Deshalb sind auch Geier, Fledermäuse, Arnika und Eibe für uns: Echte Leistungsträger!

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